Vom Stahldraht

 

Die Kunst der Stahlerzeugung ist seit langem bekannt; die erste Herstellung eines einfachen Stahls wird auf den Anfang des 1. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung datiert.
Aber erst um 1600 gelang es, Stahl zu Draht zu verarbeiten.
Zu verdanken haben wir diese Technik dem altenaer Reidemeister Johann Gerdes, der von einem Händler aus dem Bergischen ein paar Ringe Walzdraht erhielt.

So wurde der Stahldraht gebeizt
So wurde der Stahldraht gebeizt

Dieser hatte Gerdes das Material angepriesen, es sei weder zu weich noch zu spröde.

Also versuchte der Reidemeister, diesen Werkstoff durch das Zieheisen zu quälen, und obwohl er reichlich Fett benutzte, bewegte es sich nicht einen Millimeter durch das kleine Loch.
Gerdes war wütend auf das „neumodische Zeugs“, nahm die Ringe und warf sie hinter die Drahtrolle, wo die Zöger regelmäßig ... hinpinkelten.

So lagen die Stahlringe Wochen und Monate in dem stinkenden, beizenden Morast, bis Gerdes ein neues Zieheisen einrichtete und er sich der „Noppen“ am Abtritt erinnerte.
Mit dem neuen Eisen wollte er es noch einmal versuchen, er legte einen Ring auf die Ziehbank, spitzte das Ende an und zog es durch das Eisen.
Und dieses mal ließ sich der Stahl ziehen.

Immer dünner zog er den Draht und war über dessen Eigenschaften begeistert. Härten ließ er sich, und er eignete sich vorzüglich für die Nadelherstellung und als Kratzendraht.

Gerdes machte sich seine Gedanken, warum dieser Stahl nach seiner Lagerung am Abtritt zu Draht weiterverarbeitet werden konnte und bemerkte, daß eine blau glänzende Schicht die Oberfläche bedeckte und kam zu dem Schluß, daß es an dem Urin liegen müsse, daß der Draht nun so geschmeidig lief. Er gab seinen Zögern Order, von nun an ihr Wasser in einen Bottich zu lassen und legte einen neuen Walzdraht hinein. Er stellte fest, daß sich der blaue Belag gut lösen ließ, besonders, wenn man ihn mit Wucht auf den Steinboden warf, wonach er sich vorzüglich ziehen ließ.

Diese Technik bleib den anderen Reidemeistern nicht lange verborgen, und schon bald verbreitete sie sich in ganz Altena.
In der folgenden Zeit beobachtete man allmorgentlich die Zöger, die mit einem irdenen Topf, worin der Urin der ganzen Familie gesammelt war, zur Arbeit gingen.
Es entstand der Spruch: „Netter Kosaken, mit nem Pisspott auf'm Nacken“ ...
Der Draht wurde in dem Urin gebeizt, so daß der Zunder, der beim Glühen entstand, auf der sog. mit dem Wasserrad betriebenen Polterbank abgeschlagen werden konnte.

 

 

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