Es mag schon viele hundert Jahre her sein, als aus den Tiefen des Lennegebirges noch Eisenerz zu Tage gefördert wurde und in den Tälern das Rauschen der Wasserräder und das Klappern der
Drahtrollen zu hören war, da trafen sich die Edlen und Weisen aus der Grafschaft, um in Altena unter freiem Himmel Gericht zu halten.
Vorgeladen war auch ein Mann, der beschuldigt wurde, seinen Bruder erschlagen zu haben. So wurde ein geeigneter Platz vor den Toren der Stadt gesucht, und bald zog man zum Stadttor hinaus, dort,
wo die alte Handelsstraße nach Neuenrade, die vielen Älteren noch unter der Bezeichnung „Dei Straote rop“ oder „Königstraße“ bekannt ist, fast bis zum Nettebach hinabführt. Nach etwa fünf
Wegminuten kam man an einen Ort, wo sich der Weg gabelt und ein schmaler Pfad den steilen Hang zur Lenne hinunterführte. An dieser Stelle, wo zu jener Zeit auch der Friedhof lag und der Blick
freigegeben wurde auf die weiten Lenneauen, hielt die Gesellschaft inne und der Älteste sprach: „Hier wollen wir Gericht halten“, und zu dem Angeklagten gewandt sagte er: „Du bist hierher
vorgeladen worden, du bist hier erschienen und du sollst das Wort zu deiner Verteidigung erhalten. Wenn du unschuldig bist, so sollst du deines Weges ziehen, wenn du aber schuldig bist, so wollen
wir dich hier an Ort und Stelle am Halse aufknüpfen, auf daß auch du dein Leben verlierest.“
Der Beschuldigte wußte aber nichts zu seiner Verteidigung vorzubringen, und die Beweise waren erdrückend. So wurde er für schuldig befunden, seinen Bruder erschlagen zu haben, und das Gericht
entschied, daß er an Ort und Stelle am Halse aufzuknüpfen sei, wie es das Femerecht verlangte. Man führte ihn vom Gerichtsplatz weg ein Stück den Berg hinan, wo die ersten Weiden standen. Hier
wurde aus Weidenrinde ein Strick geflochten und das Todesurteil sofort vollstreckt. Den Weg, den der Verurteilte aber zuletzt mit seinem Scharfrichter ging, nennt man bis heute noch „Halsknopf“.
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