Es lebte einst ein Ritter, dessen Namen man vergessen hat, auf dem Schloß zu Altena. Dieser betrieb das Jagen mit einer Leidenschaft, daß sie ihn Gott und die Welt vergessen ließ.
An einem Sommermorgen stieg er mit seiner Meute und den Dienern den Pfad von der Burg nach dem Halsknopf an der Nordseite der Hamert in der Nette hinauf, um auf der Höhe, wo jetzt der
Nettenscheid gelegen ist, seiner Jagdlust zu frönen.
Als er auf halber Höhe an das erste Waldarbeiterhaus gelangte, sah er sich nach dem Schlosse um und vernahm das Glöcklein von der Kapelle des Klusenberges, das die Gläubigen zur Frühmesse rief.
Da stand der Ritter nun unschlüssig und wußte nicht, ob er zur Messe eilen oder weiter der Jagd nachgehen solle. Aber trotz aller Zweifel, das Wild dem lieben Herrgott vorzuziehen, setzte er doch
seinen Fuß weiter bergan.
Wie er nun beinahe die Höhe erreicht hatte, wo das zweite Waldarbeiterhaus stand, war die Messe vergessen, und als das Bellen seiner Hunde an sein Ohr drang, nahm er die Büchse in Anschlag und
wartete. Die Meute trieb einen Hirsch auf ihn zu, der Schuß krachte, aber der Hirsch entkam waidwund und wandte sich talwärts.
Der Ritter verfolgte den Hirsch, und als er dem Tier näher kam, vernahm er ein Heulen und Wehklagen, wie es nicht von einem Hirsch stammen konnte, so daß es dem Jäger Angst und Bange wurde. Aber
er setzte dem Tier weiter hinterher, an dem dritten Waldarbeiterhäuschen hatte er es fast eingeholt, und weiter abwärts, wo ein Quell zu Tale rieselt, erreichte er die sterbende Beute.
Wie er aber den Gnadenstoß geben wollte, da redete der Hirsch mit menschlicher Stimme, und der Ritter erkannte, daß er seinen Jugendfreund vor sich hatte, der durch Zauberhand in einen Hirsch
verwandelt war. Voll Schreck brach er die Jagd ab und eilte auf dem kürzesten Pfade zum Schlosse zurück, und seine Dienerschaft beerdigte in aller Stille den Hirsch.
Kein Mann seines Gefolges durfte den Jäger an diesen unglücklichen Pirschgang erinnern, aber die Orte, an denen ihr Herr zweifelte, die Büchse anschlug, ihn die Angst überkam und er über die
Stimme seines Jugendfreundes erschrak, nennen die Menschen heute noch Zweifelmut, Anschlag, Angst und Schreck.
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